Corona beeinträchtigt die Chancen der Azubis

Rainer Dohle

Mit dem Projekt durchstarten in die Ausbildung hilft unsere Stiftung Jugendlichen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Rainer Dohle ist seit mehr als fünf Jahren einer der drei Mentoren im Kreis Gütersloh, die sich ehrenamtlich für angehende Azubis engagieren und ihnen auch während der Ausbildungszeit zur Seite stehen.

Wir sprachen mit dem pensionierten Abteilungsleiter der Berufsschule des Gütersloher Reinhard-Mohn Berufskollegs über die aktuelle Situation am Ausbildungsmarkt. Er macht sich Sorgen um die Zukunft seiner Schützlinge – und nicht nur um sie.

Herr Dohle, wie wirkt sich die Corona-Krise auf das Ausbildungsangebot aus? Ist es derzeit schwieriger als bisher, einen Ausbildungsplatz zu finden?

Wir müssen feststellen: Das Lehrstellenangebot ist erheblich zurückgegangen – nicht bei den großen Unternehmen in Gütersloh, aber bei den kleineren Betrieben. Die lokalen Ausbildungsmessen fallen aus – wahrscheinlich auch das beliebte „Speed Dating“ in der Weberei. Digitale Präsentationen im Internet können den persönlichen Kontakt nicht ersetzen!

Für die Jugendlichen, die ich betreue, ist es derzeit viel schwieriger, neue Berufsbilder kennen zu lernen. Online sind die Hürden auch für die Lehrstellen-Vermittlung erheblich höher. Die Lehrstellenbörse sowie die Kontaktangebote über „Azubi trifft Ausbildungsbetrieb“ von IHK und Handwerkskammer zum Beispiel sind vielen Schülerinnen und Schülern unbekannt. Auch für uns als durchstarten-Mentoren ist die Suche nach Ausbildungsplätzen mühsamer geworden. Aber wir geben natürlich nicht auf!

Sie betreuen als ehrenamtlicher Mentor zurzeit fünf Auszubildende. Wie verkraften die Jugendlichen den Lockdown?

Die Corona-Einschränkungen machen allen Schülerinnen und Schülern zu schaffen – auch den Azubis, die ich betreue. Die Lehrstellen-Präsenz ist meist kein Problem. Aber Praktika sind nun mal online nicht möglich. Vor allem das Homeschooling-Angebot der Berufsschule bereitet vielen erhebliche Schwierigkeiten. Es fehlen Endgeräte wie Tablets, Computer, Drucker oder technische Anschlüsse. Homeschooling nur per Handy ist für die Jugendlichen eine gewaltige Herausforderung! Es besteht die Gefahr, dass manche einfach aufgeben.

Auch der fehlende Kontakt zu Lehrern und Mitschülern erschwert das Lernen. Das Begreifen der Unterrichtsinhalte, das Einüben von Lern-Strukturen und auch die Sprachkompetenz bleiben im Online-Modus schnell auf der Strecke, oft auch die Motivation.

Hinzu kommen Zukunftsängste: Wie kann ich die Prüfungen schaffen? Wie geht es weiter? Ich befürchte, dass Corona die Chancen vieler Azubis beeinträchtigt. Dass sie abgehängt werden, und zwar gerade diejenigen, die schon vor Corona Unterstützung gebraucht haben.

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung am Ausbildungsmarkt ein?

Ich gehe davon aus, dass es längerfristig keinen Mangel an Ausbildungsplätzen geben wird. Dass viele gute Azubis übernommen werden und anschließend auch einen Arbeitsvertrag bekommen. Denn den Unternehmen ist bewusst, dass der deutschen Wirtschaft schon in naher Zukunft ein Fachkräfte-Mangel droht.

Aber es gibt durchaus auch Betriebe, die durch den Lockdown zahlungsunfähig werden, denen die Insolvenz droht. Und weil Auszubildende bezahlt werden müssen, auch wenn die Firma geschlossen ist, hängt alles – auch das künftige Lehrstellen-Angebot – davon ab, wann es gelingt, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen.