Was geht ab an den Berufskollegs?

Spotlight-Umfrage zum was geht!-Mentoring: Wie ist die Stimmung? Jede vierte Ausbildung wird in Deutschland abgebrochen – zehntausende Ausbildungsplätze bleiben jedes Jahr unbesetzt. Daher unterstützen die Walter Blüchert Stiftung und Beisheim Stiftung gemeinsam mit ihrem was geht!-Projekt Schülerinnen und Schüler an Berufskollegs, wenn der Schulabschluss ansteht. Professionelle Mentorinnen und Mentoren stehen den Jugendlichen alle 14 Tage für zwei Stunden zur Seite: Sie sind Vertrauensperson und Mittler in allen Belangen rund um den Übergang von Schule in den Beruf. Angeboten wird das Programm derzeit in der Städteregion Aachen sowie in Bielefeld, Essen und Gelsenkirchen.

Wir fragten bei unseren Mentoren-Teams nach: Wie ist die Stimmung unter den Schülerinnen und Schülern im was geht!-Programm? Wie läuft das Mentoring? Was hat sich – vielleicht durch Corona – verändert? Hier die Antworten von Virginia Petrick aus der StädteregionAachen, von André Wulle aus Gelsenkirchen und Sharyfah Strelow aus Essen.

Reger Austausch, aber fehlender Antrieb

„Die Mentees sind sehr motiviert und streben an, den nächsten Lebensabschnitt mit einer Ausbildung beginnen zu lassen“, sagt Virginia Petrick, Mentorin in der StädteRegion Aachen. Diese „Lebenslust“, so Petrick, äußere sich in einem überdurchschnittlich regen Austausch und der produktiven, nahen Beziehung, die im Mentoring untereinander entsteht.

Allerdings stellt sie fest, dass die Folgen der Pandemie im Vergleich von „Theorie und Praxis“ deutlich zu spüren sind: Es mangele am nötigen Antrieb, besprochene Dinge aus dem Mentoring in die Tat umzusetzen. So fällt den Jugendlichen beispielsweise die Kontaktaufnahme zu potenziellen Ausbildungsbetrieben deutlich schwerer als üblich. Und auch das Arbeits- und Sozialverhalten in den obligatorischen Schulpraktika lässt zu wünschen übrig. Folglich sei die derzeitige Hauptaufgabe für sie als Mentorin, „die sozialen Kompetenzen sowie die Arbeitsmoral der Mentees möglichst praxisnah aufzuarbeiten, um am Ende einen hoffentlich reibungslosen Übergang in die Arbeitswelt möglich zu machen“.

Stimmung positiv, aber Potenzial nicht ausgeschöpft

André Wulle, Mentor und Trainer in Gelsenkirchen, bestätigt die positive Stimmung unter den Jugendlichen in den Mentorings: „Die Teilnehmenden erzählen bereitwillig, was sie für Ziele haben und was sie bremst. Auch die Zusammenarbeit mit dem Sozialpädagogen an der Schule ist super“.

Aber auch André Wulle macht die Erfahrung, dass die Jugendlichen oft aus den Treffen gehen, einen Plan beziehungsweise einen „Auftrag“ für die nächsten Wochen haben und dann oft ohne Ergebnis wiederkommen. „Es fehlt an Motivation und Zielstrebigkeit“, meint der Mentor, oder der „Ernst der Lage“ werde nicht erkannt, anderes erscheine gerade wichtiger. Da das Schuljahr kurz sei, stehen am Ende dann viele da, ohne ihr volles Potenzial ausgeschöpft zu haben.

Und noch ein Problem spricht der Mentor an: „Die Jugendlichen schwenken – wie so oft nach den Zeugnissen – um: statt einer Ausbildung streben sie die Fachhochschulreife an. Das ist bei vielen nicht sinnvoll; aber die meisten bleiben dabei, sobald sie eine Schulplatz-Zusage erhalten haben“.

Mehr Mut und neue Freundschaften

„Die Mentees sind sehr engagiert und mutiger geworden“, findet Sharyfah Strelow, unsere Mentorin und Trainerin in Essen. „Sie trauen sich immer mehr, auch Initiativbewerbungen telefonisch oder schriftlich durchzuführen“. Das Miteinander sei respektvoll und sie unterstützen sich gegenseitig. Durch die Workshops seien auch Freundschaften zwischen Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Berufskollegs entstanden.

Corona ist nur dann noch ein Thema, wenn es um die „Nachwehen“ geht, so die Erfahrung der Essener Mentorin. Hier werde deutlich, wer in der Zeit von Homeschooling und Hybridunterricht unter Social Distancing gelitten habe und sich jetzt nur langsam wieder in den Alltag einfinden kann. Depressive Stimmung und Sozialphobie seien nur einige der ärztlichen Diagnosen.

Neue Dynamik, bessere Medienkompetenz

Sharyfah Strelow hat bei ihren Schülerinnen und Schülern festgestellt, dass sich – Im Vergleich zu den vergangenen Schuljahren – die Dynamik bei der Bewerbung und der Berufswunsch geändert haben. „Die Jugendlichen streben eher das Fachabitur und Abitur an. Sie beobachten das Wirtschaft- und Weltgeschehen genau und richten ihre Berufswünsche danach aus, was an Beruf zukünftig bestehen bleibt“, sagt sie. Ihre Medienkompetenzen haben sich ebenfalls zum Positiven verändert: „Sie hinterfragen kritisch die Inhalte medialer Plattformen und achten auf ihr eigenes mediales Erscheinungsbild“, so die Mentorin. Auch die vielfältigen Bewerbungs-Möglichkeiten haben sich ihrer Ansicht nach verlagert, und zwar in Richtung Social Media.