Schulen als Orte psychosozialer Gesundheit stärken

gut:gehen: Ergebnisse der Evaluation in Gütersloh vorgestellt

„Wir sind Fans geworden“, schmunzelte Dr. Ewa Bacia Projektleiterin beim Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), als sie jetzt in Gütersloh gemeinsam mit ihrem Team den Forschungsbericht zum Programm gut:gehen vorstellte, und betonte: „Das soll der Wissenschaftlichkeit keinen Abbruch tun.“ Bacia und ihre Kolleg:innen haben an vier Bielefelder Grundschulen über ein Halbjahr hinweg Gruppen von Teilnehmenden intensiv begleitet und gut:gehen evaluiert.

In dem Mitmach-Programm, das seit 2021 an Bielefelder Grundschulen läuft, sammeln Kinder der Jahrgangsstufen 2 bis 4 in Kleingruppen einmal pro Woche für 90 Minuten außerhalb des Unterrichts spielerisch Erfahrungen. Ziel ist, ihre Lebensfreude und ihr Selbstbewusstsein zu fördern. Externe Zweierteams mit theaterpädagogischem Hintergrund leiten die Gruppen. Die Walter Blüchert Stiftung hat das Programm, das in diesem Monat auch in Essen als zweite Kommune startet, gemeinsam mit Expert:innen entwickelt.

Der Forschungsbericht zeigt, dass gut:gehen zu sichtbaren positiven Wirkungen bei den Kindern geführt hat. Beispielsweise waren die Teilnehmenden selbstbewusster, sie gingen freundlicher miteinander um, und Konflikte wurden häufiger friedvoll verbal gelöst. Zudem haben sich die Lebenslage in der Schule und die Kommunikation mit Kindern und Erwachsenen nachweislich verbessert. Das Programm könne durch dort eingeübte prosoziale Verhaltensweisen auf die Schulen als Ganzes ausstrahlen – wenn die Teilnehmenden als Multiplikator:innen wirken, so die Evaluator:innen.

gut:gehen verfolgt den richtigen Ansatz

Die 30 Gäste der Veranstaltung im Gütersloher Parkhotel, darunter Förderer:innen, Pädagog:innen, Projektpartner:innen und Vertreter:innen von Kommunen, zeigten sich beeindruckt von den Evaluationsergebnissen und waren sich einig, dass Schulen als Orte psychosozialer Gesundheit gestärkt werden müssen. In zahlreichen Wortmeldungen wurde deutlich: Um die Resilienz der Kinder nachhaltig zu fördern, sei es wichtig, auch Lehrende und Eltern abzuholen. Hier seien überzeugte Botschafter:innen und verständliche, kontinuierliche Kommunikation in allen Phasen des Projektes erfolgskritisch, so der Konsens.

Im zweiten Teil schloss sich eine Diskussion mit Prof. Klaus Hurrelmann, Berater des FiBS, und Prof. Matthias Franz, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik am Alexius/Josef Krankenhaus Neuss, (per Zoom) an. „Corona hat die Entwicklung von Kindern in wesentlichen Bereichen blockiert“, sagte Hurrelmann. Vor diesem Hintergrund sei gut:gehen zur richtigen Zeit gekommen und verfolge – auch unabhängig von Corona – den richtigen Ansatz: „Der Schwerpunkt liegt auf der Grundschule, einer Phase, in der noch präventiv gehandelt werden kann.“ gut:gehen nehme die ganze Persönlichkeit der Kinder auf und setze  Kräfte frei, die durch den normalen schulischen Betrieb nicht erreicht werden.

Kinder brauchen ein sensibles Umfeld

Um Resilienz zu entwickeln, seien Kinder angewiesen auf Eltern, die emotional feinfühlig dafür sind, wie ihre Kinder ihre Bedürfnisse, ihren Kummer, ihre Not aber auch ihre Freude zeigen. Nur so könnten sie eine sichere Bindung entwickeln, betonte Prof. Matthias Franz: „Wir wissen, dass manche überforderte Familien dies nicht so leisten können.“ Deswegen sei es wichtig, dass die Bezugspersonen auch in Kitas und Grundschulen in diesem Bereich sensibler würden, so Franz, der auch das Programm wir2 mit der Walter Blüchert Stiftung entwickelt hat.

Um die Bedeutung der mentalen Gesundheit über den einzelnen Menschen hinaus zu unterstreichen, zitierte Franz Studien aus den USA und Deutschland, die unter anderem belegen, dass die Rendite familienorientierter, psychosozialer Prävention aus volkswirtschaftlicher Sicht bei sieben bis acht Prozent pro Jahr auf das eingesetzte Kapital liege. Zur Evaluation von gut:gehen merkte Franz an, die vorliegende Studie habe starke, erste Hinweise darauf gebracht, „dass das Programm da wirkt, wo es wirken soll und dass es die Wirkungen erzielt, die wir uns erhoffen.“ 

Den Statements der Wissenschaftler folgte eine lebhafte Diskussion unter allen Teilnehmenden. Wesentliche Punkte waren neben der kritischen Rolle der Kommunikation weitere Rahmenbedingungen für das Gelingen des Programms sowie die Fragen nach dem Transfer von Wissen und Erfahrungen sowie nach der nachhaltigen Verankerung in den Schulen. „Wir brauchen emotionale, seelische Grundlagenarbeit, sogar bis in die Oberstufe“, sagte eine Teilnehmerin „Alles, was emotionale Kompetenzen möglichst früh zu entfalten hilft, ist unbedingt zu begrüßen“, unterstrich Prof. Matthias Franz: „Davon profitieren das Individuum, das Familiensystem und wir alle als Gesellschaft nachweislich.“

Gemeinnütziges Engagement lohnt sich

Ingrid Kramer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Walter Blüchert Stiftung, bedankte sich bei den Teilnehmenden und blickte nach vorn: „Wir haben einen Stein ins Rollen gebracht. Daran schließen sich nun viele Folgethemen an.“ Das gemeinnützige Engagement lohne sich, so Kramer: „Jeder Einzelne, den wir erreichen und der dann seinen Weg geht, ist es uns als Stiftung wert.“

Mehr Informationen zum Projekt „gut:gehen“ finden Sie hier.

von links: Dr. Jörg Schillinger (Vorstand Dr. August Oetker Stiftung), Susanne Beckmann (Leitung Amt für Schule, Stadt Bielefeld), Ingrid Kramer (stellv. Vorstandsvorsitzende Walter Blüchert Stiftung), Prof. Klaus Hurrelmann (Sozial-, Bildung- und Gesundheitswissenschaftler, Berater des FiBS)